Dienstag, 25. Dezember 2012

DIENSTAG #11

Um eines vorweg zu sagen: Ich bin kein großer Freund von Weihnachten. Das liegt wohl nicht am Fest selbst - schließlich wurde ich ja getauft, habe einen katholischen Kindergarten besucht, bin zur Erstkommunion gegangen, bin auf eine private Schule mit christlicher Ausrichtung gegangen, wurde gefirmt, usw. - sondern vielmehr am gezwungenen Familienfrieden.
Immerhin. Der erste Weihnachtsfeiertag ist (Gott sei Dank!) für meine Familie schon der Abschluss dieser Feierlichkeiten. An Heiligabend wird jedes Jahr rotiert. Mal bei uns, dann wieder bei den Tanten mütterlicherseits. Seit 2011 wird auf ein feudales Drei-Gänge-Menü verzichtet, nachdem sich ein Teil der Familie quergestellt hatte, weil ein Drittel immer etwas zu nörgeln hatte. "Ihh, Zwiebeln! Ihh, Pilze! Ihh, Ziegenkäse!" Man sagt ja: Was der Bauer nicht kennt... Bei manchen Familienmitgliedern hat dieses Sprichwort allerdings unfassbare Dimensionen angenommen, dass sie sich statt das Menü tatsächlich mal in seiner Gesamtheit zu kosten im Anschluss lieber 'nen Döner kaufen. In diesem Jahr wurde meine Großmutter zum erstmal Mal entlastet, was das Menü angeht. Es ging ausnahmsweise mal in ein Restaurant, deutsche, gut bürgerliche Küche, damit auch keiner etwas zu meckern hat. Nachdem mein Magen immer noch vom Abend zuvor brodelte und der Teil der Familie, der schon am Abend zuvor fehlte, nun verkatert und mies gelaunt am Tisch saß, musste ich mir, der anscheinend einmal mehr der Part der Kinderbespaßung zufiel, den Tag wohl schön trinken. (Haben die nach Großmutters 80. Geburtstag eigentlich gar nichts gelernt? Keine fünf Minuten hat es gedauert, bis eins der beiden mir anvertrauten Kinder blutete.) Nach dem ersten Gang musste ich bereits feststellen, dass mein Magen randvoll war und die sogenannte Fressnarkose setzte ein. Kein Wunder. Die Nacht davor wurde ich von den Nachrichten jener wachgehalten, für die es selbstverständlich zu sein scheint, an Heiligabend noch ordentlich zu feiern. Da ich allerdings gewisses Leid, was Familientreffen angeht, gewöhnt bin, versuchte ich zumindest, so zu tun, als ob ich noch essen würde. Das heißt, ich habe mein Essen noch ein bisschen hin und her geschoben in der Hoffnung, es würde niemandem auffallen. Nach 22 Jahren habe ich da schon eine gewisse Taktik entwickelt. Spätestens beim Dessert nörgelten die Kinder, dass sie jetzt(!) sofort(!) mit ihrem Nintendo 3DS XL spielen müssen.(War ich als Kind auch so schlimm?) Der Kopf dröhnte von der Lautstärke, das Bier machte es irgendwie auch nicht besser und so verschwand ich immer häufiger in Richtung Toilette, um mich mit meinen ebenfalls leidenden Freunden per WhatsApp auszutauschen. Während bei einem Teil der Familie das ständige Umsorgen des Smartphones akzeptiert zu sein scheint, wird ein derartiges Verhalten in meiner nuclear family (schönes Wort, oder?) gemaßregelt.

Nach zwei Stunden Dauerlächelns und mit einem leichten Schwips ging es endlich wieder nach Hause, wo ich meinen verdienten Schlaf nachholen konnte. Wieder ein Weihnachtsfest überlebt.
Die weitere Tagesplanung: Gleich geht es nach Münster, ein kühles Bier, ein warmes Bett, ein guter Film. So sollte Weihnachten eigentlich laufen.